Gebannt saßen die Elftklässler des Theodor-Heuss-Gymnasiums Nördlingen in der Aula und warteten gespannt auf die Entscheidung von Emanuel Goldfarb (gespielt von Matthias Klösel). Der 1959 in Deutschland geborene Jude hat von einem Lehrer namens Gebhardt eine höfliche und vorsichtig formulierte Einladung erhalten, vor einer Schulklasse über seine Identität als „jüdischer Mitbürger“, als „Mitglied der israelitischen Glaubensgemeinschaft“ zu reden. Vehement spricht er dieser Einladung sofort Sinn sowie Nutzen ab, will er sich doch nicht zur Schau stellen lassen. Aber statt einfach eine Absage zu verfassen, beginnt er ein Selbstgespräch über die jüdische Geschichte, die eigene Lebensbilanz, das Verhältnis zu seinen Eltern und das Leben als Jude in Deutschland. Eigentlich will er Atheist sein, möchte aber, dass sein Sohn beschnitten wird. Verheiratet war er mit einer Katholikin, doch die Ehe ist an seiner Widersprüchlichkeit gescheitert. Sein größter Wunsch ist, ein ganz gewöhnlicher Jude zu sein; demonstrativ bekundete Judenfreundlichkeit ist für ihn Beweis seiner Andersartigkeit. Das zeitgenössische Ein-Mann-Stück „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ nach dem Buch von Charles Lewinsky ist seit 2008 im Repertoire von Matthias Kösel, Leiter der Theaterwerkstatt Augsburg. Etwa 45 Minuten lang beobachteten die Nördlinger Gymnasiasten, wie die Figur des Emanuel Goldfarb wütend, sarkastisch, nachdenklich, emotional mit dem nicht anwesenden Herrn Gebhardt diskutierte – und je länger es dauerte, die Absage klar zu formulieren, umso wahrscheinlicher wurde die Zusage zum Unterrichtsbesuch. Dieser wurde am Ende jedoch nicht zugesagt; der Schluss blieb offen. Die anschließende Fragerunde machte deutlich, dass das jugendliche Publikum zum Nachdenken angeregt worden war, sowohl zur Thematik des Antisemitismus bzw. des Philosemitismus als auch zum Beruf eines Schauspielers. Gefördert wurde die Vorstellung am THG vom Bezirk Schwaben als Präventionsmaßnahme gegen Antisemitismus, Extremismus und Diskriminierung.